Swing in Deutschland

Swing in Deutschland

Der Swing ist in Deutschland wieder angekommen. Vor allem jüngere Leute begeistern sich für den Swing. Musikschulen unterstützen den Trend durch ein entsprechendes Ausbildungsangebot und die Bildung von Orchestern.
Ein Geschichte des Swing als Buch ist sehr willkommen.

Für einige musikalische Aktivitäten gibt es sogar längerfristig staatliche Förderung.
Das Jugendjazzorchester Sachsen-Anhalt und Big Bands von Rundfunkanstalten sind dafür Beispiele.

Woher kommt diese neue Attraktivität des Swing ?
Warum gerade in Deutschland?

Es ist die Mischung aus der neuen Lust an selbstgemachter Musik die einen positiven Touch in den Alltag bringt und, mittlerweile, altehrwürdiger Tradition aus den friedlichen Zeiten zwischen erstem und zweitem Weltkrieg.

In den zwanziger Jahren locken Gastspiele der besten amerikanischen Swing Bands und der besten Musiker in Paris, Amsterdam, London oder Berlin zig Tausende an. Über das Radio, über Platten, über Filme, Tanzbars etc. feiern die neue Swing-Musik und die neuen Tänze gerade in Deutschland wahre Triumphe.

Der Trend setzte sich trotz Verboten, Verfolgungen, Behinderungen in der Zeit des Dritten Reiches fort: auch in den dreißiger Jahren wurden Swing & Jazz-Platten gepresst, deutsche Labels hatten ein erstaunliches Angebot von Count Basie bis hin zu Benny Goodman oder Duke Ellington. Amerikanische Filme mit Swing-Einlagen wurden gezeigt, in einschlägigen Bars wurde „amerikanisch“ getanzt. Die jugendlichen „Swing-Heinis“ demonstrierten feine englische Lebensart und deutsche Orchester, wie Oscar Joost oder Heinz Wehner, ahmten ihre amerikanischen Vorbilder erfolgreich nach.

Oskar Joost – Ich hat heut´ Nacht geträumt (1938)

Heinz Wehner – Over The Rainbow (1940)

Ab 1938 wurde die Situation für den Swing erheblich schwieriger

Jazz oder Swing wurden als „unerwünschte“ Musikstile unterdrückt.
Benny Goodman z.B. durfte als jüdischer Musiker nicht mehr gespielt werden.
Im Radio waren nur noch deutsche Aufnahmen erlaubt. Die „Swing-Heinis“ und ähnliche Cliquen wurden aus der Öffentlichkeit vertrieben. Manch wertvolle Plattensammlung ging verloren.
Der 2. Weltkrieg sorgte dann für das Ende jeder Art von Unterhaltungsmusik, erst recht der „fremdländischen“.
Märsche und systemkonforme Unterhaltung sowie Gruß- und Wunschsendungen für Soldaten hielten im großdeutschen Rundfunk Einzug. Nur für den Einsatz zu Propaganda Zwecken gab es ein von Josef Goebbels persönlich unterstütztes Propaganda Orchester, daß durch abtruse englische Texte und kopierte Musik für den weltweiten Einsatz in den Reihen der Alliierten für Kopfschütteln sorgte.

 Schlurf Swing-Heinis in Deutschland
DVD: Schlurf – Im Swing gegen den Gleichschritt (DOKU)

Umso heftiger blühte die Swingmusik in der Nachkriegszeit wieder auf, insbesondere in den amerikanisch besetzten Teilen Deutschlands, wo Jazz und Swing bald zum Alltag gehörten – dann aber schnell verflachten: als trivial arrangierte Schlagermusik oder als Dixieland-Aufwasch.
Der Jazz selber wurde eher elitär: als Modern Jazz, Bebop oder Free Jazz.
Bis zum erstaunlichen Revival des Swing Ende der achtziger Jahre…

Ein Jazzfan im kalten Krieg

Die Stasi swingt nicht

»Schmidt-Joos schlägt einen großen Bogen bezüglich der Rezeption des Jazz und dessen freien Geist von den Anfängen in New Orleans über die Schwierigkeiten während der Naziherrschaft in Deutschland bis hin zur schizophrenen Wahrnehmung politisch inkompetenter Verantwortlicher der ehemaligen DDR.«
(Detlef A. Ott, Jazzpodium, Oktober 2016, 65. Jahrgang)

Siegfried Schmidt-Joos war zehn Jahre lang Kulturredakteur beim Nachrichtenmagazin »Spiegel«. Er initiierte das bahnbrechende »Rock-Lexikon« und schrieb zahlreiche Bücher über Jazz, Rock und Pop.
Schon als Teenager mit dem Swing-Virus infiziert, leitete er als Student in Halle(Saale) eine Jazz-Arbeitsgemeinschaft in der FDJ und arbeitete nach seiner Flucht 1957 für ein Jazz-Magazin, das von der CIA finanziert worden war. Sein packender Bericht über den Kalten Krieg mit der swingenden Musik sowie über die Rezeption des Jazz in zwei deutschen Diktaturen und in der frühen Bundesrepublik vermittelt erstaunliche Einblicke in die gesellschaftlichen Zustände jener Zeit. Das Buch enthält eine intensive Darstellung der studentischen Arbeit jener Zeit und damit ein Stück Zeitgeschichte Deutschlands das bisher noch nicht wirklich aufgearbeitet wurde. Die Vorschau im Angebot ist ausdrücklich zum Anschauen von mir empfohlen.
Die Stasi swingt nicht Ein Jazzfan im kalten Krieg Jazz Swing Deutschland

Die Stasi swingt nicht
Ein Jazzfan im kalten Krieg

Autor: Siegfried Schmidt-Joos
Gebundene Ausgabe: 608 Seiten
Verlag: Mitteldeutscher Verlag; Auflage: 1 (1. September 2016)
ISBN-10: 3954627612 / ISBN-13: 978-3954627615
Vorschau im Angebot / auch als Kindle Edition erhältlich

Dixieland und Jazz in der DDR

Aus den 60er Jahren habe ich eine alte Vinyl Aufnahme von Günter Gollasch im Swing Style gefunden.

Alo Koll & Sein Orchester- Antonin Stepanek, Günter Gollasch
Die B – Seite der EP 5 50 182 / AMIGA 5 50 182
Abseits / Alo Koll & Sein Orchester
Kuckucksmambo / Antonin Stepanek, Günter Gollasch & Sein Orchester

In der ex DDR entstand 1971 das internationale Dixiland-Festival in Dresden u.a. aus der Liebe zur alten Musik und ihrer durch die Kriegswirren geretteten Plattensammlung durch die Familie Drechsel und der Unterstützung durch viele Helfer.
Dazu kam noch eine Dixiland und Jazz Szene mit vielen Bands in denen viele gut ausgebildete Musiker zumeist als Zweitbeschäftigung oder Hobby gespielt haben.
Anfang der achtziger Jahre trafen dann gelegentlich Tanzbands und Blasmusiker bei Festen in Schrebergartenkolonien oder Kleinstädten zusammen. Verstand man sich gut und war die Veranstaltung weit genug fortgeschritten dann gabs immer wieder spontane Dixiland- und swingorientierte Musiksessions auf die das Publikum begeistert reagierte. Nach der Wiedervereinigung mussten sich die Musikschulen und die Lehrerschaft erst wieder in der neuen Gesellschaftsordnung zu Recht finden.
Seit Mitte der 90er Jahre wird die Swingmusik nachhaltig gefördert. Viele Bands und Orchester sind entstanden. Die ersten Jahrgänge sind heute bereits Profimusiker in allerbester Qualität. Mittlerweile erlebt die Swingmusik eine rasante Entwicklung durch das Eindringen von Funk-Elementen und durch das Bekanntwerden von excellenten skandinavischen Bands in Deutschland.
Die Dolph Lundgreen Funk Unit sei hier als Beispiel genannt.

Die spannenden Details der Entwicklung des Swing in Deutschland beschreibt Stephan Wuthe in seinem akribisch zusammengetragenen Buch. Bilder, Dokumente und Interviews mit Zeitzeugen machen Zeiten und Musik für den Leser lebendig.
Stephan Wuthe ist beruflich dem Swing eng verbunden und besitzt eine profunde Sammlung an Dokumenten und Schallplatten.

Dem Musiker, dem Musiklehrer und dem Fan der Swingmusik
sei deshalb zur Lektüre und als Geschenk empfohlen:

Swingtime in Deutschland Stepahan Wuthe Buch

Stephan Wuthe: Swingtime in Deutschland

Swing in Deutschland

Gebundene Ausgabe: 150 Seiten
Verlag: Transit Buchverlag;
Auflage: 1., Auflage (28. Februar 2012)
ISBN-10: 3887472713 / ISBN-13: 978-3887472719

 

 

zum Thema „Swing“ passend gibt es auch eine CD

„Swing Tanzen verboten ! “ CD

Swing tanzen Verboten 1929 - 1945 Musik CD

CD: Swing Tanzen Verboten-Unerwünschte Musik 1929-45

4er CD Box Set mit Booklet mit alter deutscher Swingmusik.
Auch als mp3 und Vinyl erhältlich.

Swing verboten in Deutschland

 

 

das Schild „Swing Tanzen verboten“ durfte nicht fehlen

 

Berlin Bilder der 30er Jahre

Geschichte Deutschlands ab 1945

Allgemeinwissen über Deutschland

im web:

Hamburger Swing Heini erinnert sich (Spiegel)

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